Löwenzahn Taraxcum officiale

Der Löwenzahn wurde in unserer Familie immer als blutreiningendes Frühjahrsgemüse genutzt.

Auch für unsere Kühe hatte mein Vater eine Wiese mit Löwenzahn zur Frühjahskur.

Auszug aus Gerhard Maddaus, 1938

Lehrbuch der biologischen Heilmittel:

Geschichtliches und Allgemeines:

Obgleich der gemeine Löwenzahn bei den Alten bekannt gewesen sein muß, läßt er sich doch nicht mit Sicherheit in den Schriften der alten Griechen und Römer nachweisen. Die Annahme, daß es sich bei der aphake des T h e 0 – phrast, Di0 skurides und Plinius um unseren Löwenzahn handelt, wird heute von den Pharmakohistorikern abgelehnt. Sicher erkennen wir ihn erst bei den arabischen Ärzten des frühen Mittelalters (A v i ce n n a, 11. Jahrh.) und in den klassischen Kräuterbüchern des Mittelalters. So berichtet auch V oll m e r, daß Taraxacum mit etwa 180 anderen Heilpflanzen schon in einem schlesischen Arzneibuche des 13. Jahrhunderts Erwähnung findet. Eine besonders günstige Wirkung schrieb man ihm bei Augenentzündungen zu. Auch als Schön- heitsmittel wurde das aus Kraut und Wurzeln des Löwenzahnes gebrannte Wasser gebraucht. So schreibt H. B 0 c k: „die weiber pflegen sich auch under augen mit disem wasser zu wesehen / verhoffen dardurch ein lauttel‘ angesicht zu erlangen / und die rote purpur oder bläterlin (Sommersprossen) damit zu vertreiben.“ H. F. DeI i u s (1720-1791) hielt den Löwenzahn sogar bei Lun- genschwindsucht für nützlich, und der großbritannische Leibarzt in Hannover J. G. Ritter von Z i m me r man n wollte mit ihm allein die vorgeschrittene Wassersucht Friedrichs des Großen heilen. In Frankreich war der Löwenzahn früher als Salat sehr beliebt, der Umsatz soll sich nach Angaben von Kratz in einzelnen Jahren auf 50000 Franken belaufen haben.

Nach L 0 ren z wurde auch in der Veterinärmedizin erfolgreich von Taraxacum bei Faul- und Nervenfiebern, Leber- und Lungenkrankheiten Gebrauch gemacht, indem das frische Kraut und die Wurzel unter das Futter gemischt wurden. Das getrocknete Pulver hielt er für weniger wirksam.

Ähnlich wie die Brennessei auch heute noch als Wildgemüse gegessen wird, er- freut sich auch der Löwenzahn als Frühlingssalat besonderer Beliebtheit in weiten Volkskreisen.

Wirkung

Von L 0 nie e r u·s‘) wird die Pflanze als heilkräftig bei Fieber, Abszessen,

Seitenstechen, Augengeschwür und -trübung und als Kosmetikum ge-

schildert, während

M a t t h i 0 lu S2) sie bei Diarrhöe und Roter Ruhr, Blutspeien und Pollu-

tionen, äußerlich bei „schwarzen brennenden Blattern, hitzigem Glieder-

wehe“ und bei Hautfinnen anwenden läßt. Der noch heute gebräuchliche,

der diuretischen Wirkung wegen erfolgende Zusatz von Löwenzahn-

3 blättern zu blutreinigenden Frühjahrskuren wird auch von 0 s i a n d e r )

angegeben, während

Huf e la n d4
lich bei Gallenleiden, Leberverhärtung, Hypochondrie, gastrischem Fieber, aber auch bei beginnender Tuberkulose verordnet.
Nach W ei.nmann*) ist die Pflanze „vornehmlich in Verstopfung der Leber, Cachexie, Gelb- und Wassersucht, Husten, Seitenstechen, Eng- brüstigkeit dienlich; sie befördert den Urin und mildert dessen heftiges Schneiden und Brennen, sie wird sowohl in kalten abwechselnden als faulen hitzigen eingewurtzelten Fiebern, auch zur Löschung des Durstes gebraucht“. Ferner erwähnt er noch die äußerliche Anwendung des Saftes gegen Augenschwäche.
Ben t I e y und T ri m e n“) geben an, daß er in organspezifischer Be- ziehung zur Leber zu stehen scheint. Er wird in England vorwiegend bei chronischer Hepatitis, Leberschwellung, Hydrops infolge von Leber- stockung, Ikterus und Dyspepsie mit mangelnder Gallensekretion angewandt.
Auch nach Lee Ie r CO) hat sich der Löwenzahn als wirksames Cholagogum erwiesen.

Nach K ü n z I e‘) soll der frische Milchsaft, in die Augen gestrichen, Horn- hautflecken beseitigen.
Pfarrer K n e i p p**) lobt den Löwenzahn bei Verschleimungen der verschiedensten Organe, so des Magens, der Lunge, weiter empfiehlt er ihn bei Leberleiden, Gelbsucht und Hämorrhoiden

‚) Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 168 D.
‚) Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 152.
„) Osiander, V olksarzneyrnittel, S. 95, 226.
4) Hufeland, Encbir. rned., S. 74, 124, 147, 160, 163, 176, 197, 234, 250, 254, 273, 287, 314, 346, 359,

363 u. a., Journal, Bd. I, S. 329, Bd. 2, S. 259, Bd 30, II., S. 60, Bd. 41, VI., S. 15, Bd. 71,

Suppl. S. 32.
‚) Bentley and Trimen, Medicinal Plants, 1880, Bd. III, S. 159.
G) Leclerc, Precis de Phytotherapie, S. 133.
‚) Künzle, „Salvia“ 1921, S. 62, 1922, S. 54.
„) Weinmann, Phytanthoza iconographia, Bd. IV, S. 408, Regensburg 1747. „“) Seb. Kneipp, Das große Kneippbuch, S. H6, München 1935.

Der Italiener C. B. I n v e r n i*) nennt den Löwenzahn als appetitanregen-

des Amarum, Cholagogum, Diuretikum und leichtes Purgans.

Bohn 8) zählt Taraxacum zu den Leberrnittein und schreibt ihm auch günstige Einwirkung auf den mit Leberleiden verbundenen Diabetes mellitus zu.

Wirksame Bestandteile sind das

in der Wurzel enthaltene Inulin, dessen

Menge im Herbst bis zu 40% ansteigen kann, Cholin, Inosit und der in

Wurzel und Blättern enthaltene Bitterstoff Taraxacin9), ferner Vitamin D.

Als Bittermittel steigert Taraxacum die Sympathikuserregbarkeit und

bewirkt – wahrscheinlich infolge der dadurch bedingten besseren Durch-

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blutung der Abdominalorgane – eine Appetitanregung ) (vgl. bei Gen- tiana). Auch die Wirkung subkutaner Adrenalininjektionen auf den Blut- zucker wird durch Taraxacum wesentlich gesteigert11). Bei intravenöser Injektion von Extrakt aus Radix Taraxaci wurde die Gallensekretion ver- doppelt, aus Folia Taraxaci verdoppelt bis vervierfacht12).

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In Versuchen an Ratten konnte B ü s sem a k e r ) eine choleretische Wirkung des Extractum Taraxaci nachweisen, die der der Galle etwa gleichkommt.
Bei Verfütterung von 1 g Radix täglich an Mäuse (die Tiere fraßen es ungern) starben von fünf Mäusen zwei. Bei der Sektion zeigten sich auf- gehellte Leber und blutige Därmei‘).

Verwendungin der V0 Iksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

D ä n e m a r k: Innerlich als kühlendes Mittel, bei Husten und Schmerzen. Äußerlich als Augenwasser und als Umschlag auf Beulen.
Li t a u e n : Die Abkochung der ganzen Pflanze bei Schwellungen der Füße.
No r weg e n: Infus der Blätter bei Nierenkrankheit und Skorbut (I. R-K.).

S t e ie r m a r k : Blutreinigend als Salat (Frühjahrskuren), gelindes Abführmittel. Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und

einer Rundfrage:

Das Hauptangriffsgebiet von Taraxacum ist die Leber. So wirkt das Mittel günstig bei allen Hepatopathien wie .Leberschwe11ung, Hepatitis, Lebererkrankungen mit Wundheitsschmerz und galligen Diar- rhöen (hier konnte J u n g e allerdings keinen Erfolg sehen), C h o l e – cystopathien, auch Cholelithiasis, Ikterusund Häm0 rrhoi- d e n , ferner bei gastrischen und typhösen Fiebern. Charakteristisch für die homöopathische V erordnung ist auch das Symptom der L i n g u a g e 0 – graphica. Wichtigist das Mittel auch bei der Be- hand1ung von Diabetes me11itus.

Weiter wird es bei Cysto- und Nephr0 pathien, auch Blasen- und Nierensteinen, Hydrops und Herzleiden und als S tom ach i k u m bei durch Leber- und Milzträgheit hervorgerufenen Verdauungsbeschwerden, wie mangelhafter Fettverdauung, Flatulenz, Obstipation, Magen- und Darmverschleimung, Gastritis, Enteropathien und als Anthe1mintikum bei

8) Bohn, Die Heilwerte heim. Pflanzen, S. 55.
9) Wasicky, Lehrb. d. Physiopharm., S. 179.
10) Weger, Naunyn-Schmiedebergs Arcb. I. exp. Patb. 1929, Bd. 144, S. 261.
11) Ders., C. r. Soc. Bio!. Paris 1930, Bd. 104, S. 729.
12) Chabrol, Charonnat, Maximin, Waik et Porin, C. r. Soc. Bio!. Paris 1931, Bd. 108, S. 1100. 13) Büssemaker, Naunyn-Schmiedebergs Arch. I. exp. Path. u. Pharm., Bd. 181, S. 512, 1936.
14) Nach eigenen Untersuchungen.
‚) C. B. Inverni, Pianle medicinale, Bologna 1933.

Würmern gegeben. Bei Bettnässen lobt P f lei der e r, Ulm, beson- ders den Löwenzahn, der im schwäbischen Volke den Namen „Seich- blume“ hat.
Zur Anregung des Stoffwechsels und zur B I u t r ein i gun g wird der Löwenzahn gern zu Frühjahrskuren (als Salat oder Saft) bei Pfortader- stauung, Hautkrankheiten, Avitaminose, BI u t arm u t, rheumatischen und gichtischen Affektionen und nach S t e u ern t hai bei Kropf und Basedow verwendet.

Schließlich findet noch die blutstillende und menstruationsfördernde Wirkung Erwähnung, und die Samen werden als gutes Nervenmittel be zeichnet.