Beinwell (Symphytum officale)

Beinwell gehört wie Borretsch zu den Raublattgewächsen.

Beinwell ist eine starke Heilpflanze. Sie hat wohl den höchsten Allantoingehalt aller einheimischen Pflanzen. Das ist ein wertvoller und wichtiger Wirkstoff zur Bildung neuer Zellen und zur Regeneration des Gewebes. Dadurch bekam Beinwell sogar den Ruf, Knochenbrüche heilen zu können. Sicher hat er eine unterstützende Wirkung.
Das im Beinwell enthaltene Cholin erweitert die Arterien und fördert somit die Durchblutung. Es reduziert auch den Austritt von Gewebsflüssigkeit.

 

Auszug aus Gerhard Maddaus, 1938

Lehrbuch der biologischen Heilmittel:

Auf die heilende Wirkung bei Knochenbrüchen gehen Boanwurzen (Niederösterreich), Hälwurzel = Heil- (Lothringen). Die fette, saftige Beschaffenheit der Wurzel, die manchmal von Kindern gegessen wird, wird angedeutet in den Volksnamen Smeerwuttel (untere Weser), Speckwottel (Emsland), Hasenbrod, Himmelsbrod (Niederösterreich). In verschiedenen Mundarten ist die Bezeichnung Schwarzwurzel zu finden. In der Luzerner Gegend bäckt man ähnlich wie beim Gartensalbei (Salvia officinalis) die Blätter in Teig heraus, daher Chuechi- Chrut. Die honigreichen Blüten gaben zu den Namen Honnigblum (Niederösterreich), Hungblueme, Imbelichrut (Aargau), Zuckerhaferl (Böhmerwald) Veranlassung.

Botanisches:

Beinwell ist eine kräftige, bis zu 1,50 m hohe ausdauernde Staude. Die dicke, spindelförmige Wurzel ist mehr oder weniger ästig. Sie ist außen schwarz (Name!), innen weiß und enthält viel Schleim. In getrocknetem Zustande ist sie von hornartiger Beschaffenheit. Der von unten an ästige Stengel ist mit großen, lang herablaufenden Blättern besetzt. Die unteren sind eiförmig bis länglich- lanzettlich, die oberen lanzettlich und wie alle grünen Teile der Pflanze rauh- haarig-borstig. Die trüb-purpurnen oder violetten Blüten bilden langgestielte, überhängende DoppelwickeL Der unten verwachsene Kelch ist fünfzipflig, die zylindrisch-glockige Krone mit fünf zurückgekrümmten Zähnen trägt im Innern fünf pfriemliche Schuppen, sie ist 12-16 mm lang. Früchtchen schwarz, zu vier in einem Kelche. Die Pflanze ist feuchtigkeitsbedürftig und wird durch Düngung begünstigt. Durch Entwässerung wie auch durch Beschattung kann die Pflanze nach und nach vertrieben werden. Sie wächst an Bachufern, mit Vorliebe in Streuwiesen. Blütezeit: Mai bis Juni. Heimat: Europa.

Geschichtliches und Allgemeines:

Im Altertum wurde das Symphytum officinale als ein Heilmittel bei Bluthusten, Wunden, Geschwüren und Knochenbrüchen gerühmt. Allerdings steht es nicht fest, ob das „Symphytum“ des Di0skurides mit unserer Wallwurz identisch ist. Er schreibt, daß die Wurzeln fein gestoßen und getrunken gut für Blutspeien und innere Abszesse seien und als Umschlag frische Wunden verklebten. Wie groß die zusammenziehende Eigenschaft der Pflanze nach der Meinung der Alten gewesen sein soll, zeigt deutlich eine Anekdote, die Heschtetterus zu berichten weiß: „Spaßmacher ließen einen Bauern Muskatwein, in den sie Symphytum getan hatten, trinken. Seine Kehle zo’g sich so sehr zusammen, daß er nicht einmal mehr seinen Speichel hinunterschlucken konnte.“ – In den alten englischen Kräuterbüchern findet Symphytum häufig als Mittel gegen Wunden und Geschwüre, auch sogar kankerösen Charakters, Erwähnung und ist auch noch in der heutigen englischen Volksmedizin bekannt. Außerdem wird Symphytum dort als blutreinigendes Gemüse wie Spinat gern gegessen. In Lett- land bestreicht man akut auftretende Ekzeme mit der WurzeL In der russischen Volksmedizin wird die Wurzel bei Knochenbrüchen benutzt, worauf auch der Name „zywokost“, der nach Demitsch mit „knochenheilend“ zu übersetzen ist, hinweist. Als Viehfutter soll es zur Erhöhung des Milchertrages dienlich sein und bei Pferden ein schönes, glattes Fell hervorrufen. Auch soll es ebenfalls in der Tierkunde innerlich und äußerlich angewandt ein geschätztes Mittel bei Wunden und Knochenverletzungen sein. Die älteren Blätter werden gelegentlich zum Strecken des Tabaks verwendet.

Wirkung:

Die Wurzel fand bereits bei der hL Hildegard und bei Paracelsus  unter der Bezeichnung „Consolida“ als Wundheilmttel Verwendung.
Auch L0nicer u S3) empfiehlt sie „zu allen wunden, rissen und brüchen“, gegen Blutspeien, übermäßige Menstruation, als Expektorans und zum Zerteilen geronnenen Blutes.

Matthi0lu S4) fügt als Indikationen noch Blutharnen, eiternde Brust und Lungen, Phthisis, für äußerliche Anwendung Gonorrhöe und Hämor- rhoiden hinzu.
Auch Zwinger)5

kennt den inneren und äußeren Gebrauch der Bein- wurz und empfiehlt sie bei Hämorrhagien, Fluor albus, Brüchen, Wunden, Entzündungen und Geschwülsten. Er meint sogar: „Wenn mann dieB Kraut samt der wurtzel wol in dem Wasser zu einem Bad siedet I und die jungen Wittweiber darinnen bißweilen baden macht I so werden sie wider gleich als die Jungfrauen.“

Die heutige Volksmedizin schreibt der Wurzel heilkräftige Wirkung zu bei Erkrankungen der Atmungsorgane, insbesondere Hämoptoe, bei Diarrhöe und äußerlich bei Knochenverletzungen 6) wie auch Quetschungen u.nd Geschwüren 7).
Auch B 0 h n 8) läßt Symphytum bei Knochenbrüchen anwenden, und zwar innerlich zur Unterstützung der Kallusbildung, äußerlich – wie Arnika- tinktur – zu Verbänden; außerdem hält er es für ein sehr günstig wir- kendes Mittel bei Hämoptoe, muköser Diarrhöe und Harnbeschwerden. Thornps0n, Macaister und Bramwell 9) weisen besonders auf die regenerierende und heilende Wirkung bei Ulcus ventriculi hin.
Searle 10) berichtet von einem 83jährigen arteriosklerotischen Patienten, bei dem durch ein schwammiges, rasch wachsendes Geschwür der ganze Mittelfußknochen freigelegt worden war. Das Ulkus trotzte jeder klinischen Behandlung und wurde erst zu Hause durch Anwendung von Symphytumfomentationen geheilt.

Von LecIerc 11) wird Symphytum bei Enteritis tuberculosa empfohlen. Die wirksamen Bestandteile der Droge sind u. a. das – curareartige Wirkungen hervorrufende 12) – Symphytocynoglossin, Consolidin, Gerbstoff,

1) Der Abt. Hildegard Causae et Curae, S. \C8.
2) Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 3, S. 450, 547.
S) Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 224 D.
4) MatthioIus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 327 C.
‚) Zwinger, Theatrum botanicum, 1696, S. 814.
G) Schulz, Wirkg. u. Anwdg. cl. dtsch. ArzneipfI., S. 182. 7) Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. 5, S. 1495. 8) Bohn, Die Heilwerle heim. Pfl., S. 35.

9) Bramwell, A note on the symphyturn ollicinale or common cornlrey, Brit. med. Journ. 1912. 1U) SearIe, The Brit. rned. Journ. 1912, June.
11) LecIerc, Precis de Phytotherapie, S. 113.
12) Kobert, Lehrb. d. Intoxikationen, S. 676.

13) VgI. 7).

U) Nach eigenen Untersuchungen.
‚ “) Vollmer, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 176, H. 4/5

13 und Allantoin.

Schleim )
Bei Untersuchungen über Toxingehalt wurden in Symphytum geringe Mengen von ausfällbarem Eiweiß von mittlerer Giftigkeit gefunden14).
Die im Tierversuch beobachtete stark stopfende Wirkung von Symphytum führt V oll m e r15) auf den Gerbstoffgehalt zurück.